
Eine „Unkonferenz“, wie ein BarCamp auch genannt wird, ist nicht das Gegenteil einer Konferenz, sondern eine spezielle Art einer Konferenz. Das Gegenteil einer Konferenz ist: keine Konferenz.
Den Unterschied zwischen klassischer Konferenz und BarCamp könnte man abstrakt vielleicht mit den Begriffen ‚Top-Down-Konferenz‘ versus ‚Button-up-Konferenz‘ beschreiben. Während im klassischen Fall, Experten eingeladen werden, die einem Publikum im Rahmen einer – wie auch immer gestalteten – Präsentation, etwas fachlich Neues vermitteln, zu der im Anschluss Austausch stattfinden kann, werden für ein BarCamp keine Experten eingeladen, sondern diese rekrutieren sich – mehr oder weniger spontan – aus dem Kreis derer, die teilnehmen. Wer ein Thema hat, bringt es ein…
Aber, was konkret ist das eigentlich, ein BarCamp? Wann bietet sich der Einsatz dieses Meeting-Designs an? Was sind die Vorteile, was die Risiken? Worauf kommt es bei der Gestaltung eines BarCamps an? Die Antworten auf diese und andere Fragen, aus Sicht des Facilitators:
BarCamp: Was? Wozu? Wie? …und wieviele?
Der letzte Punkt zuerst: Man muss sich im Vorfeld eines BarCamps entscheiden, ob die Veranstaltung auf eine bestimmte Teilnehmerzahl begrenzt werden soll oder nicht. Ausschlaggebend dürfte dafür die Location sein, die in aller Regel eine maximale Teilnehmerzahl definiert. Umgekehrt ist auch gefahren: Wenn eine definierte Gruppe eingeladen werden soll, muss die Location das hergeben und, wenn die Veranstaltung „nach oben offen“ sein soll, ebenfalls. In diesem Punkt unterscheidet sich das BarCamp nicht von einer „normalen“ Konferenz. Was aber ist das Spezifische am BarCamp?
Ein BarCamp lebt vom Input derer, die kommen
Die Bezeichnung BarCamp erklärt sich aus der Herkunft des Meeting-Desings, das in der Softwareentwicklung entstanden ist. „Bar“ ist ein in der Informatik gebräuchlicher Begriff für einen Platzhalter und „Camp“ leitet sich schlicht von Camping ab. Das „Bar“ wurde gewählt, weil ursprünglich – ganz im Gegensatz zu den sonst üblichen Fachkonferenzen – nur ein Platzhalter für möglichen, fachlichen Input geplant wurde, also lediglich eine Location sowie eine Zeitfenster. Und da die Zusammenkünfte durchaus auch mehrere Tage dauern konnten, campte man am Veranstaltungsort, daher das „Camp“.
Ein BarCamp lebt vom Input derer, die kommen. Das absolute Minimum dessen, was vorbereitet sein muss, ist daher lediglich ein definierter Zeitslot an einem definierten Ort, sowie dort ausreichend Meetingräume oder -orte. Jeder der mag kann dann ein Thema anbieten, das er gerne mit anderen zusammen bearbeiten möchte. Innerhalb dieses Rahmens findet Selbstorganisation statt.
Man bleit auf Augenhöhe
Ein zentrales Charakteristikum des BarCamp ist es, dass die Teilnehmer nicht nur miteinander sondern auch, und vor allem, voneinander lernen. Wenn jemand aus dem Teilnehmerkreis sagt, „Ich hab ein Thema, zu dem ich Euch gerne etwas präsentieren würde …und/oder das ich gerne mit Euch diskutieren würde“ geht es darum Wissen und Erfahrungen, Sichtweisen und Meinungen „auf Augenhöhe“ zu teilen.
Das Besondere daran ist, dass kein konferenztypisches „Beziehungsgefälle“ zwischen dem/den vortragenden, wissenden Experten und den unwissenden, konsumierenden Teilnehmern, entsteht. Statt der typischen, komplementären Beziehungsstruktur „Geber – Nehmer“, bleibt die symmetrische Beziehung erhalten, beide Seiten sind und bleiben Geber und Nehmer zugleich. Man bleibt auf „Augenhöhe“.
Man kann nicht nicht strukturieren
So wie man nach Paul Watzlawick’s erstem Axiom, nicht nicht kommunizieren kann, kann man als Facilitator nicht nicht strukturieren.
Legt man zur Strukturierung eines BarCamps die klassischen „SixSteps“ (Moderationszyklus) zu Grunde, ergibt sich folgende Timeline:
Step 1 – „Kick-Off“: Die Veranstaltung wird in einem Plenum, in dem alle Teilnehmer Platz finden, eröffnet. Die Veranstalter benennen noch einmal den angedachten, thematischen Rahmen, Anlaß und Ziel der Veranstaltung. Möglicherweise gibt es an dieser Stelle eine kurze Erläuterung, wie ein/dieses BarCamp organisiert ist.
Danach wird der organisatorische Rahmen skizziert: Wie ist der Zeitplan? Wie groß sind die Zeitslots für die Themenbearbeitung? Wann und wo sind Pausen geplant? Wo sind die Arbeitsräume?
Sollte es dann noch Fragen zu Inhalt und Organisation geben, können diese an dieser Stelle beantwortet werden.
Step 2 – „Offers“: Die Facilitator bittet nach dem Intro, um Themenangebote. Jeder Anwesende kann dann ein Thema benennen, das er/sie mit anderen zusammen bearbeiten möchte. Wird ein Thema angeboten, sind folgende Aspekte zu klären: Um welches Thema geht es? Möchte der Anbieter Infos geben, also etwas präsentieren? (Präsentation) …oder eine Fragestellung diskutieren? (Diskussionsrunde) …oder Lösungsideen für ein bestehendes Problem erarbeiten? (Workshop) Wann möchte der Anbieter das Thema bearbeiten?
Ist das Angebot klar geworden, kann das jeweilige Thema – auf Pinnwänden oder digital – in ein vorbereitetes Themen-Raum-Zeit-Raster eingetragen werden. Der Themengeber wird als Facilitator für diese Einheit eingetragen.
Am Rande: Besteht die Gefahr, dass von den Teilnehmern zu wenige Themen eingebracht werden, können die Veranstalter selbst „Joker“ bereit halten, also Themen, die nur dann eingebracht werden, wenn von den Anwesenden keine Themen angeboten werden sollten.
Step 3 – „Timeline“: Die Teilnehmer wählen nun die Sessions aus, an denen sie teilnehmen möchten und machen ihre Wahl etwa durch Kleben eines Klebepunktes oder digital sichtbar. Haben alle ihr Votum abgegeben, können die zur Verfügung stehenden Räume, entsprechend der Anzahl der Interessenten vergeben werden. Alternativ entfällt dieser Schritt, man beläßt es bei der Angebotsbenennung und ordnet, schon im Step 2, die Angebote den verfügbaren Räumen zu. Der Rest obligt der Selbstorganisation durch die Teilnehmer.

Step 4 – „Sessions“: Der Kern der Veranstaltung sind die Session/s im Plenum oder in den Gruppenräumen, je nach Teilnehmerzahl. Der Themengeber übernimmt die Leitung der entsprechenden Einheit und schlüpft in die Rolle des Präsentators, Diskussionsleiters oder Facilitators.
Die Veranstalter nehmen (zweitweise) an der einen oder anderen Session teil, sofern sie nicht durch organisatorische Aufgaben gebunden sind.
Nach den Gruppen-Sessions ist in aller Regel ein Pause eingeplant, so dass die Gruppen etwas zeitlichen Spielraum haben. Zudem schafft dies einen Raum für weiteren Austausch…
Am Ende der Pause, finden sich alle wieder im Plenum ein.
Step 5 – „Extracts“: Nach den Sessions berichten die Themenowner im Plenum kurz über ihre Gruppe. Dafür kann es seitens der Veranstalter einen Vorschlag zu Aufbau und/oder Länge des Berichts geben. Vielleicht wurden Maßnamen vereinbart? …oder sollen im Plenum welche vereinbart werden? …wird es ein Protokoll geben?
Step 6: – „Conclusion“: Sind alle Themen vorgestellt worden, neigt sich die Veranstaltung ihrem Ende zu. Die Veranstalter verabschieden die Teilnehmer…
Fazit
BarCamp ist das richtige ModerationsDesign, wenn es nicht darum geht, die Teilnehmer durch Fachvorträge/-beiträge ausgewiesener Experten zu einem definierten Thema „aufzuschlauen“, sondern ein „Austausch auf Augenhöhe“ im Zentrum des Interesses steht. Die Ansage lautet nicht: „Wir freuen uns auf Vorträge von… zum Thema…“, sondern: „Wer hat ein Thema?“
Ihr/Euer/Dein,
Josef W. Seifert
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PS: Wenn Du ein BarCamp planst und Dich dazu beraten möchtest, melde Dich gerne für ein (Online-) Coaching: Kontakt
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